Können Sie sich noch an die Euro-Endzeit-Szenarien der Griechenlandkrise erinnern? Die Währungsunion blieb intakt, Gewöhnung trat ein – und trügerische Gelassenheit.
Nach der gescheiterten Regierungsbildung in Italien hat der Politikwissenschaftler Grasse ein düsteres Szenario des Landes gezeichnet. Es gebe derzeit keine Persönlichkeit, die einen pro-europäischen Wahlkampf in Italien führen könnte, sagte Grasse im Deutschlandfunk. Der amtierende Ministerpräsident Gentiloni sei keine Projektionsfläche für die Abgehängten und die Jugendlichen in Italien.
Dabei sei ein innenpolitisches Handeln dringend notwendig, damit die Populisten nicht noch mehr Aufwind bekämen. Angesichts der desolaten ökonomischen Lage des Landes müsse es beim EU-Gipfel Ende Juni Fortschritte geben, warnte Grasse. Die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega-Partei waren gestern mit ihrer Regierungsbildung gescheitert. Der designierte Ministerpräsident Conte gab den Auftrag zur Regierungsbildung an Staatspräsident Mattarella zurück.
Mattarella hatte sich geweigert, den Euro-Skeptiker Savona als Wirtschaftsminister zu akzeptieren. Damit werden Neuwahlen im Herbst wahrscheinlich.
Krisen verlaufen selten in gleichmäßigem Tempo. Ein typisches Muster sieht so aus: Lange Zeit passiert kaum etwas, trotz allerlei Vorboten. Dann plötzlich beschleunigt sich der Gang der Ereignisse: Paukenschlag folgt auf Paukenschlag. Binnen kurzem befinden wir uns in einer neuen Welt. Wer sich zuvor hat einlullen lassen, wird nun eines Schlechteren belehrt. Möglich, dass wir derzeit wieder mal an einem solchen Wendepunkt stehen. Dass eine Krise bevorsteht, die bisherige Gewissheiten zerstört. Wir – und das heißt in diesem Fall: Deutschland – sollten uns darauf gefasst machen. Wir brauchen einen Plan für den Worst Case.
Denn wie die Dinge liegen, ist es durchaus möglich, dass die Eurozone in nicht allzu ferner Zukunft auseinanderbricht. Ein Satz, der an die Situation in den Jahren 2010 bis 2012 erinnert. Damals brachte der SPIEGEL eine Euro-Endzeit-Titelgeschichte nach der anderen. Die Währungsunion gibt es immer noch. Gewöhnung ist eingetreten. Und Gelassenheit. Doch nun geht es nicht um Griechenland, Irland oder Portugal. Es geht um Italien, den drittgrößten Mitgliedstaat mit einer aufgelaufenen Staatsschuld von 2,3 Billionen Euro, der nun eine Regierung bekommt, die Europa in seiner bisherigen Form nicht will. Das ist neu.
Die Schockwellen haben zum Ende der abgelaufenen Woche bereits Spanien erreicht, wo ebenfalls die Börsen absackten und die Zinsen stiegen. Auslöser waren Zweifel an der Stabilität der konservativen Minderheitsregierung.
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